Gerhart Dieter Greiß

Grundschulpädagogische Fragen

3. Teil

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Für offene Rechnungen gibt es ein Zahlungsziel. 
Offener Unterricht kann im Ergebnis nicht unverbindlich sein.

Wo spontan und original gelernt wird, sollte das Lehren begleitende und unterstützende Funktion haben. Planvoll, systematisch und kleinschrittig gelenktes Lernen ist nicht an sich schon effektiver als sich ergebendes, suchend-entdeckendes und von Vorläufigkeiten und Sprüngen gekennzeichnetes Lernen.

Offene und lehrerbestimmt-durchgeplante Unterrichtsansätze schließen einander nicht aus, sondern stehen wegen ihrer unterschiedlichen Funktion in einer Beziehung der wechselseitigen Ergänzung.

Mindestens ebenso gründlich wie bei der Vorbereitung festgelegten Unterrichts muss sich der Lehrer bei der Vorbereitung offenen Unterrichts mit der Frage auseinandersetzen, auf Grund welcher internen (psychologisch verstehbaren) und auf Grund welcher externen (arrangierbaren) Bedingungen es wahrscheinlich erscheinen kann, dass sich die Aktivitäten der Schüler nicht in der Reproduktion der eh schon vorhandenen Qualifikationen erschöpfen. Diese Klärungen und Betrachtungen sind für einen Unterricht, in dem Planung in ihrer Angebotsfunktion verstanden wird, unverzichtbar, wenn er nicht in Zufälligkeiten abgleiten soll. Seine Steuerungsfunktion, die der Lehrer im offenen Unterricht zurücknimmt, muss greifen können, wenn sie gefordert ist; und der Lehrer muss darauf vorbereitet sein, dass seine Steuerungsfunktion tatsächlich gefordert sein wird. Somit ist die Ermittlung der individuellen Lernstände, der motivationalen und formalen Lernvoraussetzungen und der externen Lernbedingungen unerläßlicher Bestandteil der Vorbereitung auch offenen Unterrichts.

Die Überlegungen zur Wochenplan-, Werkstatt- und Stationsarbeit dürfen sich nicht auf die Frage beschränken, wie der organisatorische und soziale Rahmen und wie die Materialien beschaffen sein müssen, damit sie den Schülern ein selbstgesteuertes Arbeiten ermöglichen. Mindestens gleich wichtig sind folgende didaktische Betrachtungen:

Betrachtungen, die bei den Lernerfordernissen und -bedürfnissen ansetzen: Ermittlung der individuellen Lernmöglichkeiten und bedürfnisse der Lernenden; Bestimmung der für die weitere Lernentwicklung der Lernenden erforderlichen Lernschritte; Entwicklung von Arbeitsangeboten, die zu der bestimmten Lernausgangslage der Lernenden passen und ihre weitere Lernentwicklung anstoßen und unterstützen können; Modifikation der Arbeitsangebote unter dem Gesichtspunkt der Individualgerechtigkeit (differenzierten Passung): Welche Inhalte und welche Arten der inhaltlichen Konkretionen (Thematisierungen, Anforderungen, methodischen Ansätze) können den besonderen Lernerfordernissen, Lernmöglichkeiten und Lernbedürfnissen der einzelnen Lernenden differenziert genug gerecht werden?

Betrachtungen, die bei den Lernumgebungen und -aufgaben ansetzen: Bestimmung der für die weitere Lernentwicklung der Lernenden erforderlichen Lernschritte und Ermittlung der individuellen Lernmöglichkeiten und -bedürfnisse der Lernenden; Explikation des in den Arbeitsangeboten implizierten didaktischen Potentials im Hinblick auf die weitere Lernentwicklung der Lernenden (didaktische Relevanz der Arbeitsangebote); Überprüfung des in den Arbeitsangeboten implizierten didaktischen Potentials auf Individualgerechtigkeit (Differenziertheit): Werden die Arbeitsangebote in ihren Inhalten und in den Arten der inhaltlichen Konkretionen (Thematisierungen, Anforderungen, methodischen Ansätze) den besonderen Lernerfordernissen, Lernmöglichkeiten und Lernbedürfnissen der einzelnen Lernenden differenziert genug gerecht?

Bei aller Vielfalt der gleichzeitig präsenten Handlungs- und Arbeitsangebote muss der Unterrichtende die notwendige Übersicht über die in ihnen implizierten fachlichen Lehrziele/Lernziele und über die aktuellen individuellen Lernmöglichkeiten behalten. Es gilt, didaktische Instrumente intensiv zu nutzen, die die lehrzielspezifischen Lernentwicklungen der einzelnen Kinder einer präzisen analytischen Beobachtung und einer individuumsgerechten Unterstützung zugänglich machen.

Es gibt Lehrer, die sich in hohem Maße auf die Gestaltung offener Lernlandschaften mit impliziten Thematisierungsmöglichkeiten oder auf den Aufbau vorstrukturierter Lernumgebungen mit expliziten Themenangeboten (Werkstattarbeit) oder auf die Organisation von individualisierenden Formen der Lernprogrammierung (programmierte Instruktion, Wochenplanarbeit) verstehen und darin das pädagogische Non-plus-Ultra sehen. Diesen Kollegen und -innen sei Anerkennung ausgesprochen, aber auch zu bedenken gegeben, dass sie bei überwiegender oder ausschließlicher Gestaltung des Unterrichts nach diesen Konzeptionen ihren Schülern wahrscheinlich wesentliche Lernerfahrungen vorenthalten. Diese Kritik ist unter drei Aspekten zu präzisieren:

a) Wochenplanarbeit darf nicht zu einer Abarbeitung eines verordneten Pensums verkümmern. Die Auswertung von Schülerarbeiten, die operative Zusammenhänge zum Inhalt haben, muss über die Ergebniskontrolle hinausreichen und erfordert eine nachbereitende Denkarbeit.

b) Vielfach ist bei Unterrichtsbesuchen festzustellen, dass die geschaffenen räumlich-materiell-motivationalen „Landschaften“ oder „Umgebungen“ konsequent bis in die Schülerarbeit hinein und bis zu deren Abschluß bloßen Angebotscharakter behalten, ohne dass die Schüler und die Unterrichtenden von der anheimgestellten Annahme der angeregten Tätigkeiten zur Wahrnehmung ihres Anspruchsgehalts vordringen, den es zu erkennen gilt und der Lernarbeit erfordert. Hier versagt der Unterrichtende, indem er den Schülern seine pädagogische Führungsrolle versagt, obwohl er in offeneren, den Klassenverband zeitweise auflösenden Unterrichtsformen viel mehr und viel tiefere Erkenntnisse über die Lernmotive, -ansätze, -wege, -irrtümer und -notwendigkeiten seiner Schüler gewinnen kann als im Klassenunterricht.

c) Oft versäumen Lehrer, die didaktische Energie, die in den Lernirrtümern und in der Divergenz der Lernansätze und -wege ihrer Schüler liegt, aufzuspüren und zum Motor einer themazentrierten Auseinandersetzung im sozialen Verband zu machen. Diesen Kollegen und -innen sei die Lektüre der klassischen pädagogischen Werke eines Friedrich Copei, eines Martin Wagenschein oder eines Heinrich Roth ans Herz gelegt. Mögen sie aufmerksamer werden auf die pädagogischen Möglichkeiten, die in spannenden, vom Lehrer behutsam, aber doch absichtsvoll geführten Unterrichtsgesprächen wegen ihrer gedanklichen und sozialen Dynamik liegen; und mögen sie kritischer werden gegenüber ausschließlichem, zwar wohltemperiertem, aber entspannt und linear dahinplätscherndem Stations- oder Wochenplanbetrieb.

Denjenigen Lehrern aber, die sich und ihren Unterricht zu wenig ihren Schülern öffnen, die den Klassenraum in eindeutige Lehrer- und Schülerreviere einteilen und im Anwenden von darbietenden und fragend-entwickelnden Unterrichtsschemata erstarrt sind, sei empfohlen: Mögen sie aufmerksamer werden auf die Eigendynamik, mit der die Lernprozesse jedes einzelnen Schülers in Gang kommen und ablaufen; und mögen sie kritischer werden gegenüber den Scheinerfolgen von Fremdbestimmung und Eiskanaldidaktik!

Entweder Realpädagogik oder Wolkenkuckucksheimpädagogik?

Wenn wir Unterricht auf die originären Lernansätze der Kinder aufbauen - begeben wir uns da nicht unserer Verantwortung, die Kinder auf diese unsere Gesellschaft vorzubereiten, die nun einmal nicht nur von Selbstverwirklichungsmöglichkeiten, sondern vielmehr von Sachzwängen und anders begründeter Fremdbestimmung geprägt ist? Diese Frage ist die Gretchenfrage der gegenwärtigen pädagogischen Diskussion in der pädagogischen Provinz.

Kontroverse Auseinandersetzungen in pädagogischen Fragen (Grundsätze für die Konzipierung von Unterricht; Beurteilung von Lehr- und Lernarbeit) lassen sich in den meisten Fällen reduzieren auf einen grundsätzlichen Dissens in folgenden Fragen:

1. In welchem Verhältnis steht mein Denken und Wirken als Pädagoge zu der schulischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit?

2. Was überhaupt sind die in pädagogischer Hinsicht relevanten konstituierenden Merkmale schulischer und gesellschaftlicher Wirklichkeit?

Dazu ein kleines Beispiel. In Waldeck-Frankenberg erlernen die meisten Erstkläßler die Lateinische Ausgangsschrift (LA) als verbundene Schreibschrift. Diese Wirklichkeit reproduziert sich selbst, indem viele Grundschullehrerinnen auf die Frage, warum sie ihre Kinder nicht die Vereinfachte Ausgangsschrift (VA) lehren, mit dem Hinweis antworten, dass sie selbst und auch die Eltern ihrer Schüler die LA, nicht aber die VA beherrschen (!)1 und man eine Umstellung für ebenso mühevoll wie unnötig halte. Die LA genüge außerdem höheren ästhetischen Ansprüchen als die VA2, die VA sei im Gegensatz zur LA nicht kindgemäß, und vor allem seien die an den Schulen vorhandenen Lehrmaterialien alle auf LA und gemischte Druckschrift, nicht aber auf VA angelegt. Auf den Hinweis, dass VA leichter zu erlernen und zu schreiben sei und dass Arbeitszeit und Lernenergie früher und in größerem Maße für tatsächliches schriftliches Kommunizieren freigesetzt würden, habe ich einmal die ernsthaft gemeinte Antwort erhalten, man dürfe es den Kindern heutzutage nicht zu leicht machen. Einen anderen Motivationshintergrund dürfte der Kollege haben, der jüngst einem Sechstkläßler in einer Englisch-Arbeit fast alle Satzanfänge als fehlerhaft anstrich:

Nobody knows how many bubbles you can get in your head... 

Constanz, 17. März 1777
Aus Nassau-Weilburg.
„Niemals kann aus dem, was war oder ist, geschlossen werden, was sein soll.“ (Dilthey)3

sen, die ihrer Ausführung noch im Wege stehen, gar nicht unmöglich. Wenn z. E. ein jeder löge, wäre deshalb das Wahrreden eine bloße Grille?“ (Immanuel Kant)4

Geschichte der Pädagogik - geistige Fossilien, überholt, irrelevant?

Über drei Jahrhunderte nach Comenius, über zwei Jahrhunderte nach Rousseau, Herder und Pestalozzi und einige Jahrzehnte nach der Blüte der Reformbewegung in der Pädagogik können wir uns nicht unhistorisch mit dem Für und Wider einer Öffnung des Unterrichts für kind- und sachgemäßes Lehren und Lernen auseinandersetzen - als stünden die grundlegenden didaktischen Ideen ganz in unserem Belieben.1

fügen würden.“3

Wissen, sondern auch die an dieses Wissen geknüpfte Verantwortung (gegenüber den Mitmenschen: Moralität; gegenüber der eigenen Gott-Ebenbildlichkeit: Religiosität) des Wissenden.4

ter ist, weise, rechtschaffen und heilig zu werden, als den Fortschritt unterbinden zu lassen durch die erst hinzugekommene Verderbtheit: ein jedes Ding kehrt gern zu seiner eigenen Natur zurück.“6

* Nicht mehr die Sachlogik, sondern die Entsprechung zur Natur der menschlichen Entwicklung, konkret:die Verstehensfähigkeit der Lernenden, sollte das Ordnungsprinzip für die Lehrinhalte sein.7

Aspekte, unter denen das unteilbare Ganze erschlossen werden kann.8

* Die Zusammenfassung vieler Lernender gleichen Jahrgangs erschien dadurch und nur unter dieser Voraussetzung möglich, dass
a) der Lehrer den Schülern erst dann eine bestimmte Aufgabe stellte, wenn er spürte, dass, dem gemeinsamen Lernstand entsprechend, die Zeit für sie reif war, und dass in den Schulen weniger Lärm, Überdruss und unnütze Mühe herrsche, in der Christenheit weniger Finsternis, Verwirrung und Streit, dafür mehr Licht, Ordnung, Friede und Ruhe.“11

ihrer Unterrichtspraxis und -theorie auf der Ebene der klerikalistischen und feudalherrschaftlichen Vor-Aufklärungszeit zu beharren?

herausfordern, damit es im eigenen Können und im eigenen Werk Glück empfinden kann.5

Von der normativen Kraft und Jungfernzeugung des Gegebenen

es in ihrem Belieben, diese Bewegung aufzugreifen oder nur zu ihrer feiertagspädagogischen Erbauung wahrzunehmen oder ganz zu verwerfen?

Jedem auf eine Masse wirkenden Impuls steht das Beharren auf dem gegebenen Zustand entgegen. Ins Soziologische übertragen, besagt das Trägheitsprinzip der Physik, dass sich das Gegebene darin gefällt, als etwas Bewährtes bewahrt zu werden.

Unterstützung findet die Konservierung und Perseveration des Bestehenden in dem bis ins Alltägliche allgegenwärtigen positivistischen Wissenschaftsverständnis.

Pädagogischer Positivismus tendiert zu dem bereits vor 150 Jahren von Robert Owen ins Auge gefassten Ziel, Erziehungswissenschaft zur Grundlage einer unfehlbaren Erziehungstechnik zu vervollkommnen, die „wie ein Naturgesetz angewandt werden kann“8. Der „ideologische Kern“ dieses technokratischen Denkens ist nach Habermas die „Eliminierung des Unterschiedes von Praxis und Technik“9.

Was dem Positivisten von seinem Ansatz her entgeht, ist die Möglichkeit, dass sich in den herrschenden Umständen gar nicht wünschenswerte, vielleicht sogar inhumane Lebensinteressen durchgesetzt haben können, dass es mithin unvernünftig, weil geistig kümmerlich und moralisch skrupellos sein könnte, sich in seinem Streben nach Wirklichkeitserkenntnis und nach einer dieser Erkenntnis adäquaten Praxis (scheinbar!) wertungsfrei nur von dem Gegebenen (dem positum) leiten zu lassen.10/11

Wirklich sind auch Fakten, die als herrschend gesetzt sind, damit diejenigen, deren Herrschaftszwecken diese Fakten zupass kommen, nicht ihre Herrschaft hinterfragen lassen müssen. Herrschaft schafft Wirklichkeit; Wirklichkeit schafft Herrschaft. Positivismus ist die Geisteshaltung, die diesen Zusammenhang methodisch systematisiert und gegen andere Wirklichkeitsentwürfe abschirmt. Die positivistische Moral ist den herrschenden Interessen und den Interessen der Herrschenden untergeordnet: In positivistischer Perspektive ist Wirklichkeitssinn oberste Tugend.1

Schule soll Menschen für das Leben in der gesellschaftlichen Realität rüsten. Realität ist geprägt durch die (gnadenlosen) Forderungen der Leistungsgesellschaft. Also muss Schule ein Abbild der (gnadenlos fordernden) Leistungsgesellschaft sein; der Kinder wegen vielleicht etwas abgemildert und mit behutsamem Beginn.

Welt, das durch sein Handeln und schon durch seine bloße Anwesenheit seine Umgebung mitverändert und durch sein Denken neue Entwürfe für die Welt konstruiert, in der es lebt.2

„Es muss aber doch auch Straßenkehrer geben!“ Wenn Grund- und Hauptschule damit beauftragt sind, einen wesentlichen Beitrag zur Humanisierung des Industrialismus zu leisten, so dürfen sie die jungen Menschen nicht auf bestimmte soziale Positioliche Mobilität abverlangt, und steht zu Zielen eines sozialen Humanismus im Gegensatz. Die Hauptschule muss versuchen zu verhindern, dass der Schüler auf Grund ihrer Lehrziele und Lehrmethoden von vornherein den Berufen des mit „schematisierten und bloß exekutiven Arbeiten“3 beschäftigten Industrie- oder Büroarbeiters zugeordnet ist. Bei unveränderter Bildungsarbeit der Hauptschule würde dies aber aus der Spezialisierung und Differenzierung der Berufe und der Veränderung ihrer Anforderungen an die Arbeitstugend (Beweglichkeit, Übersicht, fortentwickeltes Fachwissen) folgen.

Didaktische Folgerungen:

a) Das Wissen verliert mehr und mehr seine zentrale Stellung in der Schulbildung; wichtig ist, dass der Schüler durch sie zum Denken und zu einem engagierten Arbeitsverhalten fähig wird. Auch Bergius geht davon aus, „dass Denken für die moderne Gesellschaft mehr bedeuten muss als Wissen; dass Wissen eine andere Funktion hat, wenn das Ziel Denken heißt“.4
Er setzt voraus, dass „zum richtigen Denken auch Wissen gehört“, nimmt aber an, dass Wissen im Sinne „reproduktiver Bewahrung routinemäßig vollzogener Verhaltensweisen“ weniger erforderlich sein wird als „selbständiges, kritisches und produktives Denken“.5

b) Jede Dressaterziehung, die sich von der Erzeugung korrekten Wissens, korrekten Verhaltens und korrekter Ansichten her legitimiert fühlt, lässt Spannungen zwischen dem Schüler und ungelösten Problemen nicht aufkommen, unterdrückt dessen Spontaneität und verhindert damit weitgehend Ansätze zu kritischem, kreativem Denken.1

dingungen anzupassen und sein Lernen weiterzuführen; deshalb wird es ihm schwerfallen, seine Leistungen zu steigern und sich auf veränderte Anforderungen umzustellen.2

fähigkeit das Erwerben von zusammenhängendem Wissen und die eigentliche Mitübung für das Problemlösen. Beides wird durch das Hervorheben von strukturellen Zügen erreicht.“3

Aus den neueren Untersuchungen zum Transfer folgert Bergius: „Wenn der Lernprozess als Orientierungsprozess aufgefasst wird, braucht man Übungsperioden, in denen nicht Antworten gelernt, sondern Antworten gefunden werden.“4/5

c) Eine um materiale Bildung (vorgeformte Kenntnisse, Fertigkeiten, Einstellungen) am meisten besorgte Erziehungshaltung stützt den Buch- und Hörschulcharakter der Schule. Dabei kann wohl eine Arbeitstugend erzogen werden, die sich gegenüber vorstrukturierten, exekutiven Aufgaben in Treue bewähren kann, aber kaum eine Arbeitshaltung, die Aufgaben und ihre Probleme selbständig sehen, strukturieren und lösen könnte.

kann durch die Reduktion des Lehrstoffes eingespart werden.“6

Pädagogischer Realismus?

In Lehrerzimmern, gar auch in Grundschulkonferenzen ist oft zu hören: Weiterführende Schulen beklagten sich über die Verwöhntheit von Kindern aus bestimmten Grundschulen und Grundschulklassen, was die Unterrichtsformen betreffe. Diese Kinder fänden den Sekundarstufenunterricht öd. Das wirke sich negativ auf die Leistungsmotivation aus. Die Grundschule dürfe sich nicht aus der Realität des Gesamt-Schulsystems ausklinken. Grundschule müsse die Kinder an den Stil des Sekundarstufenunterrichts gewöhnen, damit der Bruch zwischen Grundschule und Sekundarstufe nicht so groß sei.

Ein bisschen Hartmut von Hentig:

Schule als Lern-Bedingung

1. Eine Gemeinschaft von Menschen, die ihre Sache mit Zuversicht tun.

2. Eine Gemeinschaft von Menschen, die füreinander Zeit haben.  3. Eine Einrichtung, an der Arbeit erfahren werden kann und nicht nur als Arbeit verkleidetes Lernen.  4. Eine Einrichtung von menschlichen Ausmaßen.  5. Ein Lebensort, „A place for kids to grow up in“.   6. Eine Einrichtung, in der die Menschen sich bewusst gemeinsame Regeln des Handelns geben, deren Funktion man dort also erfahren kann.  7. Eine Einrichtung, in der sich die Menschen die gemeinsamen Formen des Erkennens bewusst machen - an der es dafür Anlässe gibt.  8. Eine Einrichtung, in der die Unterschiede unter den Menschen wahrgenommen und bejaht werden können.  9. Ein Ort, an dem der Körper zu seinem Recht kommt.  10. Eine Einrichtung, an der man sich der Medien bedient und nicht die Medien bedient.  11. Eine Gemeinschaft von Menschen, in der die Erwachsenen ihr Erwachsensein bejahen - um der Kinder willen.  12. Eine Einrichtung, die hilft und nicht heilt (therapiert).  13. Eine Einrichtung, an der nicht alles geregelt ist, an der man die Kinder weitgehend in Ruhe lässt - eher weniger als mehr zu tun geneigt ist. 1

14. Ein Ort, an dem das Verhältnis von Risiko und Verantwortung erfahren werden kann, weil die Handlungen aller beidem unterliegen. 2

Weitere Lernbedingungen:

1.  Ein Ort, an dem sich Lust an der Sache einstellen kann.  2.  Ein Ort, an dem Konzentration möglich ist und Durchhaltekraft belohnt wird.  3.  Ein Ort, an dem Martin Wagenschein würde lehren wollen.  4.  Ein Ort, an dem man gemeinsame Grunderlebnisse hat und sich bewusstmacht.  5.  Ein Ort, an dem Gemeinsinn herrscht und wohltut.  6.  Ein Ort, an dem man mit einem Stück Natur leben kann.  7.  Ein Ort, an dem man erfahren kann, wie man Frieden macht.  8. Ein Ort, an dem die Frage nach dem Sinn gestellt werden kann Ö und gestellt wird.  9.  Ein Ort, der ein Teil einer Gemeinde ist Ö ihres Bürgerlebens, nicht nur ihrer Verwaltung, ihres Budgets, ihrer Bauplanung. 3

Ein bisschen Ausbildungsdidaktik

Eine Blüte öffnet sich nicht oder bei Strafe der Selbstzerstörung, wenn die äußeren Verhältnisse widrig sind.  Pädagogische Ausbildung, die nicht auch offen ist, schafft merkwürdige Verhältnisse, die dann offenbar werden, wenn sich ein Lehramtsanwärter in der Zweiten Staatsprüfung zum Thema „Offener Unterricht“ prüfen lässt.  Wie sind die einschlägigen theoretischen Zusammenhänge im Seminar bearbeitet worden? Durch Referate? Also Öffnung des Unterrichts als Fremdtheorie?

Bei der aktiven Rekonstruktion der Wirklichkeit und bei der Bestimmung des theoretischen Rahmens, in dem der Berufsanfänger die Vernünftigkeit der Praxis überprüfen kann, hat der Ausbilder nur anbildung ist der eigentliche Gegenstand der didaktischen Ausbildung. “ lage für eigenständiges Wirken; sie kann das reflektierte Erfahren der eigenen (jeweils vorläufigen) Rolle, der Abhängigkeiten, des Beeinflusstwerdens und der Möglichkeiten (auch der Grenzen)

auf sie anwendbar, sondern als Theorie der Praxis für die Praxis. “ (Oppolzer2)

deln selbst einer kritisch vermittelten Verantwortung zu unterwerfen. “ (Groothoff/Stallmann3)

Hinweise für Unterrichtsbeamte:

Wie wäre Schuldienst nach Vorschrift?

Der hessische Gesetzgeber und der oberste Dienstherr der hessischen Lehrer fordern von uns nicht etwa die Exekution und Reproduktion des Üblichen, sondern im Gegenteil ein selbständiges Handeln, das seine Zielsetzung von einer immer wieder aufzunehmenden kritischen Auseinandersetzung mit den Bedingungen, Setzungen, Normierungen, Forderungen, Gewohnheiten, Konformismen der schulischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit her bestimmt und dem Diskurs mit den anderen in der Schule und auf die Schule wirkenden Personen und Institutionen zugänglich macht.  Schulgesetz vom 17. 6. 1992:

sowohl den Willen, für sich und andere zu lernen und Leistungen zu erbringen, als auch die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und zum sozialen Handeln zu entwickeln,

Konflikte vernünftig und friedlich zu lösen, aber auch Konflikte zu ertragen, sich Informationen zu verschaffen, sich ihrer kritisch zu bedienen, um sich eine eigenständige Meinung zu bilden und sich mit den Auffassungen anderer unvoreingenommen auseinandersetzen zu können, ihre Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Ausdrucksfähigkeiten zu entfalten und Kreativität und Eigeninitiative zu entwickeln.  Ý 3 Abs.  8: „Die Schule muss in ihren Unterrichtsformen und Methoden dem Ziel gerecht werden, Schülerinnen und Schüler zur Selbsttätigkeit zu erziehen. “ nen Ziele in eigener pädagogischer Verantwortung zu erreichen und Interessen der Schülerinnen und Schüler einzubeziehen. “ (Hervorhebungen vom Verfasser. )

Allgemeine Grundlegung der Rahmenrichtlinien:

den, die man lernt und behält. “ (S.  5)

Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die nur erlernt werden; vielmehr werden die fachlichen Lernziele zu den allgemeinen Lernzielen in Beziehung gesetzt. . . “ (S.  7 f. )

digkeit solidarischen Handelns vermitteln. “ (S.  8)

„Das den Rahmenrichtlinien zugrunde liegende Curriculumkonzept geht von der Forderung eines offenen Curriculums aus, d. h.  Fragestellungen, Lösungswege und Antworten nicht dogmatisch zu kanonisieren

strakt, sondern im konkreten Kontext zu erschließen, sie nicht zu dogmatisieren, sondern als heuristische Instrumente gebrauchen zu lernen, ist Voraussetzung einer offenen Urteilsbildung. “ (S.  10)

Selbsttätigkeit, Gruppenunterricht, Beteiligung der Schüler an der Festlegung von Lernschritten und am gesamten Schulleben sind konstituierende Bestandteile solchen Unterrichts. “ (S.  11 f. )

bare Techniken vermittelt werden. “ (S. 14)

(Hervorhebungen vom Verfasser. )

Literaturhinweise

Andresen, Ute: So dumm sind sie nicht.  Von der Würde der Kinder in der Schule.  Quadriga/Beltz, Weinheim/Berlin 1986 (2.  Aufl. )

Blankertz, Herwig: Die Geschichte der Pädagogik.  Von der Aufklärung bis zur Gegenwart.  Büchse der Pandora, Wetzlar, 1982. 
Deutscher Bildungsrat: Strukturplan für das Bildungswesen.  Stuttgart 1972. 
Gaßen, Helmut: Die Berufsproblematik des Grundschullehrers - eine uneingelöste Aufgabe der Erziehungswissenschaft.  Frankfurt am Main 1980. 
Hentig, Hartmut von:„Humanisierung“ - Eine verschämte Rückkehr zur Pädagogik? Andere Wege zur Veränderung der Schule.  Klett-Cotta, Stuttgart 1987. 
Hoffmann, Dietrich:Überlegungen zum Verhältnis von Theorie und Praxis in der gegenwärtigen Lehrerausbildung.  Deutsche Schule.  74.  Jahrgang, 1982, Heft 3. 
Koch-Priewe, Barbara: Subjektive didaktische Theorien von Lehrern.  Tätigkeitstheorie, bildungstheoretische Didaktik und alltägliches Handeln im Unterricht.  Haag & Herchen, Frankfurt am Main, 1986. 
Unterrichtswissenschaft - Wissenschaft für Unterricht? Unterrichtswissenschaft, 7.  Jahrgang, 1979, Heft 1. 
Winter, Heinrich: Didaktische und methodische Prinzipien.  In: Heymann, Hans Werner (Hg. ): Mathematikunterricht zwischen Tradition und neuen Impulsen.  Köln 1984.


[1] So haben wir Lehrer des öfteren das zweifelhafte Vergnügen, einen Aufsatz zu lesen, zu korrigieren und zu beurteilen, den eine verzweifelte oder ehrgeizige Mutter ihrem Kind diktiert hat.  Auf einem diesbezüglichen Gipfel in meiner Berufspraxis stand ich immer dann, wenn ein Erstklässler eine von der Mutter oder von der großen Schwester angefertigte Schreibübung als seine Hausarbeit vorlegte.  Zum Thema „Mütter als unbezahlte Hilfslehrer der Nation“ wärmstens ans Lehrer(in)herz zu legende Literatur:

Enders-Dragässer, Uta: Die Mütterdressur - Eine Untersuchung zur schulischen Sozialisation der Mütter und ihren Folgen, am Beispiel der Hausaufgaben.  Mond-Buch, Basel, 1981.  (Dissertation)

Wie Eltern und Schüler „das Beste aus der umstrittenen Sache machen“ können, versucht Horst Speichert in „Hausaufgaben sinnvoll machen.  Anregungen zum Lernerfolg“ (Rowohlt, Reinbek, 1980) aufzuzeigen. 

[2] Literaturempfehlung: Lütgert, Will: Die Fragwürdigkeit der Zensurengebung und die „Berichte zum Lernvorgang“ der Bielefelder Laborschule.  In: Neue Sammlung, 32.  Jg. , Heft 3/1992, S. 387-404.