Thomas Gordon: Lehrer-Schüler-Konferenz

Thomas Gordon These: Der entscheidende Faktor für erfolgreiches Lehren liegt in der Hand des Lehrers: Es muss ihm gelingen, eine besondere Beziehung zwischen ihm und den Schülern herzustellen. Ausschlaggebend ist die Kommunikationsfähigkeit zwischen Lehrer und Schülern.

Ist die Schüler-Lehrer-Beziehung intakt, gibt es keine Konflikte: die Lehr/Lernatmosphäre ist dementsprechend entspannter.

 

             Die Sprache der „Nicht-Annahme“: Die 12 Straßensperren

Der Grund weshalb Schüler-Lehrer-Konflikte in der Schule auftreten, liegt darin, dass die meisten Lehrer die Sprache der Nicht-Annahme mit ihren Schülern sprechen.

Die 12 Straßensperren

 

1.       Befehlen, kommandieren: „Hör auf zu jammern und mach deine Arbeit fertig“;

2.      Warnen,  drohen: „Reiß dich lieber zusammen, wenn du erwartest, eine gute Note zu bekommen!“;

  1. Moralisieren, predigen: „Du weißt, du musst lernen, wenn du gute Noten schreiben willst!“
  2. Verurteilen, kritisieren: „Du bist einfach faul, dein Arbeitsverhalten ist schlecht“
  3. Beschimpfen, Klischees verwenden: „Du benimmst dich wie ein Schulanfänger“;
  4. Interpretieren, analysieren: „Du versuchst dich vor der Aufgabe zu drücken!“;
  5. Verhören, sondieren: „Warum hast du so lange gewartet, bevor du um Hilfe gebeten hast!“
  6. Belehren, logisch argumentieren: „Wir wollen den Tatsachen ins Auge sehen. Denke daran, dass du noch zwei Tage hast, um diese Arbeit abzugeben!“;
  7. Loben, zustimmen: „Eigentlich bist du ein tüchtiger Schüler. Ich bin sicher du kommst dahinter!“;
  8. Beruhigen, mitfühlen: „Du bist nicht der Einzige, dem es so ergangen ist. In Mathe war ich genauso schlecht wie du“;
  9. Lösung anbieten: „Es ist gut für dich, wenn du dein Arbeitsverhalten änderst. Dann kommst du besser voran!“;
  10. Ablenken, sarkastisch sein: „Lass uns über etwas Angenehmeres reden; du bist mit dem linken Fuß aufgestanden!“;

 

Wirkung der 12 Straßensperren:

Die Straßensperren enthalten mehr als  nur eine Botschaft. Sie vermitteln dem Schüler eine versteckte Aussage.

 

Beispiel:

Schüler: Ich kann die Schule nicht ausstehen“

Lehrer: Oh! Wir haben alle irgendwann einmal so über die Schule gedacht – das verliert sich schon!“

Da hört der Schüler folgende Botschaften mit:

-          Du akzeptierst weder mich noch mein Urteil über die Schule!

-          Du hältst mich für unreif, wenn ich so über die Schule denke!

 

Die Aussage des Lehrers sagt etwas über die Person des Schülers.

Die Aussage des Lehrers verrät also das, was er über den Schüler denkt. Die 12 Straßensperren sind Botschaften, die destruktiv sind und dazu führen, dass die Schüler zum Gegenangriff übergehen, rachesüchtig und zornig werden, sich schuldig  fühlen und das Gefühl haben, der Lehrer trauen ihnen nichts zu.

 

Warum zählt Lob zu den Straßensperren?

Wenn der Schüler mit sich selbst unzufrieden ist, wird das Lob auf taube Ohren stoßen. Er wird sich nicht verstanden fühlen.

Wenn die Lehrer-Schüler-Beziehung nicht intakt ist, wirkt das Lob auf den Schüler wie ein unehrliche Manipulation. (Du willst nur, dass ich dies tue, weil...)

               

 

Die Sprache der Nicht-Annahme teilt dem Menschen oft mit, dass er sich ändern muss, oder sich besser ändern sollte. Sie vermittelt ihm auch, dass sein Problem unwichtig ist oder etwas mit ihm nicht in Ordnung ist.

 

2.2.            Die Sprache der Annahme

2.2.1.       Passives Zuhören (Schweigen), wenn das Problem beim Schüler liegt:

Nichts sagen vermittelt Annahme: Es ist ein wirksames Mittel, das die Schüler ermutigt, den Lehrer mehr an ihrem Leben teilnehmen zu lassen. Nicken, sich vorbeugen, lächeln, die Stirn runzeln zeigen dem Schüler, dass Sie richtig zuhören.

 

 

2.2.2.      Aktives Zuhören:

Prinzip des „Türöffners“: Gelegentlich brauchen die Schüler eine zusätzliche Ermutigung, mehr von sich preiszugeben, tiefer zu gehen.

Beispiel eines „Türöffners“:

„Möchtest du mehr darüber sagen?“

„Das klingt als berührt dich das sehr stark!“+

Der Lehrer versucht herauszufinden, was den Schüler bedrückt; Er macht keine Bewertung, gibt  keine urteilende Meinung von sich.

Dadurch fördert der Lehrer die Diskussion und ermöglicht den Schülern, ihr Problem auszusprechen, um einen Selbstklärungsprozess bei ihnen zu unterstützen. (Förderung des Selbstvertrauens)

 

2.2.3.      Ich-Botschaften senden, wenn das Problem beim Lehrer ist:

Der Lehrer übernimmt mit der Ich-Botschaft die Verantwortung für sein Unbehagen auf sich und teilt dies dem Schüler mit; er verbalisiert das Problemverhalten und die konkreten Auswirkungen des Verhaltens auf sich.

Fallbeispiel:

Lehrerin: Arthur, ich kann nicht arbeiten, wenn du mit deiner Gruppe dermaßen laut redest. Ich stehe aber unter Zeitdruck und muss die Arbeit mit meiner Gruppe noch heute beenden.

Arthur: Wir sollen doch den Ausflug für nächste Woche planen. Ich weiß nicht, wie wir das ohne Sprechen tun sollen.

Lehrerin: Ihr müsst also auch eine Arbeit erledigen, und dazu ist es nötig, dass ihr miteinander redet.

Arthur: Ja, wir wissen müssen heute mit der Formulierung der Frage fertig werden, sonst können sie bis Montag, wenn wir sie brauchen, nicht mehr vervielfältigt werden.

Lehrerin: Ihr steht also auch unter Zeitdruck. Ich muss aber ebenfalls meine Gruppe hier noch anhören, bevor sie weiterarbeiten kann. Der Lärm, den eure Unterhaltung verursacht, stört meine Konzentration. Das ist ein wirkliches Problem.

Arthur: Ja?

Lehrerin: Hast du eine Idee, wie wir es lösen könnten und trotzdem beide zufrieden wären?

Arthur: Nun, wenn es Ihnen recht ist, könnte unsere Gruppe im Konferenzzimmer arbeiten. Es ist um diese Zeit leer.

Lehrerin: Mein Problem wäre damit gelöst. Aber bist du sicher, dass es euch nichts ausmacht, dorthin zu gehen? Das Zimmer ist ein bisschen klein für euch alle.

Arthur: Das ist schon in Ordnung. Wir hatten bereits vorher überlegt, dorthin zu gehen, als Sie uns anschrieen.

Lehrerin: Dann ist uns allen geholfen. Werdet ihr wohl heute mit eurer Arbeit fertig, oder braucht ihr morgen das Konferenzzimmer noch einmal?

Arthur: Ich glaube, wir schaffen es heute.

 


2.3.            Konfliktlösungen laut Gordon

Grundsätzlich werden die Konflikte bei Gordon in sechs Schritten gelöst:

 

1. Der Lehrer nennt das Problem aus seiner Sicht und verwendet Ich-Botschaften: Ich kann nicht arbeiten, wenn du mit deiner Gruppe dermaßen laut redest;

2. Sammlung von Lösungseinfällen durch den Schüler, die Schüler: Hast du eine Idee, wie wir es lösen könnten und trotzdem beide zufrieden wären?

3. Wertung der Lösungsvorschläge: Was haltet ihr von jeder der gesammelten Ideen? Welche sind die besten? Od. Ich kann diese Idee nicht akzeptieren, weil, ...: Mein Problem wäre damit gelöst.

4. Entscheidung für eine Lösung: Der Schüler möchte mit seiner Gruppe in das Konferenzzimmer gehen.

5. Umsetzungspläne: Da wird diskutiert, wie die getroffene Entscheidung im Alltag umgesetzt werden kann: Der Schüler geht in das Konferenzzimmer.

6. Erfolgsbeurteilung: Hat sich die Konfliktlösung als tragfähig erwiesen?

 

Kritik an diesem Modell:

 

Die Fallbeispiele Gordons hinterlassen den Eindruck leichter bis mittelschwerer Konfliktlagen – Gordon erwähnt nichts von den größeren Konflikten (Schlägereien, Vandalismen), so dass man daraus schließen kann, dass seine Methode in diesen besonderen Fällen wenig Erfolg hat.

Die Umsetzung dieses Konzepts setzt also ein bestimmtes Klima voraus: So werden ein gewisses Maß an Selbststeuerung, Empathie und Kooperationsfähigkeit seitens der Schüler vorausgesetzt.

 

Fachliteratur:

Gordon, Thomas (1992): Lehrer-Schüler-Konferenz. Wie man Konflikte in der Schule löst, 4. Auflage, Hamburg: Heyne.