Wenn Sie eine Ausarbeitung zu diesem
Gegenstandsbereich anfertigen, ist es
weder notwendig noch hinreichend, dem Leser mitzuteilen, wie man rundet, und
dass Sie wissen,
wie man rundet. Didaktische Professionalität gebietet vielmehr die intellektuell
einfühlsame (↔ didaktisch intelligente) Interpretation antizipierter Fehler
und Schwierigkeiten der Lernenden und die mathematisch begründete Klärung der
Frage,
wie (mit welchen Modellen) ihnen Zugang (als kognitiver Prozess) zum
mathematischen Sachverhalt und Einsicht in ihn verschafft werden kann.
Ob unsere fachlichen Klärungsversuche didaktisch relevant und hinreichend
umfassend sind, wird deutlich, wenn uns die Bestimmung der fachlichen Ziele unseres
Unterrichts gleichsam in den Schoß fällt und wenn die wesentlichen Komponenten des
Unterrichtsverfahrens strukturell vorbestimmt sind, bevor wir uns um die
Organisation des Unterrichtsablaufs kümmern.
Die mathematikpsychologische Tiefe der Planungsarbeit ist abhängig davon,
* ob Mathematik als kognitiver Prozess begriffen wird oder als
Regelwerk
und
* ob die mathematische Substanz beabsichtigter kognitiver Prozesse
geklärt
wird, bevor
ihre Ingangsetzung und ihr Ablauf organisiert werden.
Die Unterschiede, mit denen sich didaktische Grundverständnisse auf die
Intentionalität, Methodik, Effizienz und Bildungswirkung niederschlagen, sind
beträchtlich. Dazu sollte exemplarisch gelesen werden:
* Hans Aebli, Psychologische Didaktik,
* Martin Wagenschein, Verstehen lehren,
* Heinrich Roth, Pädagogische Psychologie des Lehrens und Lernens.
Wer die Rundungsregel unverstanden erlernt hat, dem unterläuft erfahrungsgemäß häufig oder grundsätzlich folgender Fehler: Statt den Ziffernwert an der kleinsten Stelle, die für die Verträglichkeit des Rundungsergebnisses mit der vorher festgelegten Rundungstoleranz noch relevant ist, beim Abrunden beizubehalten, ersetzt er ihn - in Analogie zu dem beim Aufrunden vorzunehmenden Ersetzen dieses Ziffernwerts durch seinen Nachfolger - durch seinen Vorgänger. Dieser Fehler beruht darauf, dass die Sprache der Regel nur innerlogisch, ohne hinreichende Verankerung in ihren sinngebenden (hier arithmetischen) Sachbezug verstanden wird und gleichwohl das Handeln im (arithmetischen) Bedeutungsbereich bestimmt.
In das didaktische Zentrum des zu planenden Unterrichts ist daher die Anordnung dekadisch
kodierter Zahlen zu rücken, der die vom
Stellenwertsystem stammende Struktur aufmoduliert ist.
Derart abstrakte Sachverhalte können nur über geeignete didaktische
Modellierungen Lerninhalte des Mathematikunterrichts werden.
Das Verfahren, zu einer Zahl das nächstgelegene Vielfache einer der Stufenzahlen
des Systems
aufzusuchen, setzt voraus, dass die Schüler über eine entsprechende Modellvorstellung
(gewonnen an Zahlentafeln, Zahlenstrahlen, Zähleruhren,
Zählautomaten) verfügen, und festigt diese Grundvorstellung zugleich.
Es ist didaktisch empfehlenswert, den Schülern dieses (mathematisch)
strukturorientierte und (kognitiv) strukturbildende Verfahren so lange wie möglich
nahezulegen, sie jedenfalls nicht verfrüht auf den regelsprachlichen Mechanismus
("bis 4..., ab 5...") festzulegen.
Empfohlene Literatur:
Friedhelm Padberg, Didaktik der Arithmetik.