"In einem Vortrag im Jahre 1990 (ausgerechnet bei einem Treffen der
Deutschen Gesellschaft für Informatik) stellte [Neil]
Postman die sehr treffende Frage, ob wir uns eigentlich
nicht "zu Tode informieren". Seine Argumentation geht in die
Richtung, dass Information "keine Beziehung mehr zu der Lösung
von Problemen hat", dass jeder "Zusammenhang zwischen Information
und Aktion abgebrochen ist", "dass Information nichts mehr als eine
Ware ist, deren Gebrauchswert gegenüber ihrem Marktwert
vollkommen irrelevant geworden ist". Ich zitiere weiter: "our
information immune system is inoperable. We don't know how to
filter it out; we don´t know how to reduce it; we don't know
how to use it. We suffer from a kind of cultural AIDS." (Postman,
1990)
In dem 1992 erschienenen Buch Technopoly, mit dem bezeichnenden - und sehr fragwürdigen - Untertitel The Surrender of Culture to Technology, beklagt Postman das Ende eines kohärenten Kulturbegriffs im Zuge des fortschreitenden Prozesses einer integralen Technologisierung, dessen Paradigma die USA in seiner Sicht darstellen. Hauptmerkmal von diesem absoluten Primat von technischen Lösungen für menschliche Probleme ist seines Erachtens "the explosion of context-free information". Kultur oder Technologie als Alternative, Technologie als Kulturfeindin, das kann natürlich nicht unsere Sache sein. Postman bezeichnet die digitale Revolution als eine"Faustische Wette" (mit der deutlichen Unterstellung, dass man dabei die "Seele" unvermeidlich verliert) und stellt seine Überlegungen dementsprechend in die lange Tradition der Dämonisierung von Technik. Es fällt aber auf, dass Postman selbst eigentlich auch keine "menschlichen" Lösungen anzubieten hat. Sein Vorschlag, man sollte wieder der Schule einen humanistischen Auftrag zuteilen und als Mittel dafür dringend eine Curriculum-Reform durchführen, mutet äußerst unsachgemäß und gemessen an der Dimension des Problems eigentlich fast lächerlich an. Die Grenzen solcher Dämonisierung und überhaupt jeder moralisierenden Haltung werden spätestens dann offensichtlich, wenn man bedenkt, dass eine noch so radikale Kritik der Technopolis ohne den Zugang zu den elektronischen Medien und ohne deren Gebrauch schlichtweg undenkbar geworden ist. Die Information, die wir brauchen, um die blinde Logik der "Informationsgesellschaft" kritisch zu befragen, wird uns eben durch die von dieser Gesellschaft entwickelten Werkzeuge frei Haus geliefert.
Nun fehlt es andererseits auch nicht an euphorischen Berichten gerade auch im pädagogischen Bereich. Neulich zum Beispiel habe ich in einem kanadischen Aufsatz über"Auslandsgermanistik und Multimedia" gelesen, "dass es für den fleißigen Studenten der Philologie, der gute Computerkenntnisse besitzt, bereits heute möglich ist, mehr Wissen über einige Werke und Autoren zu sammeln, als sein Professor es in seinem professionellen Leben durch herkömmliche Methoden schaffen könnte" (Liddel, 1995:559). Es liegt hier ganz offensichtlich die oft anzutreffende, fatale Verwechslung zwischen Information und Wissen vor , die eigentlich meinen Titel motiviert hat. Es ist die Verwechslung der Welt des Signals mit der Welt des Sinns oder, im Sprachgebrauch der Empirischen Literaturwissenschaft, zwischen dem Text und dem Kommunikat, zwischen dem in den Kommunikationsapparaten zirkulierenden Objekt und seiner spezifischen Aneignung durch ein historisches Subjekt. Anders ausgedrückt: die Dissoziierung zwischen Verfügungswissen und Orientierungswissen wird immer spürbarer, je mehr die Informationsexplosion weiterwirkt. Die Hauptfrage, mit der wir eigentlich konfrontiert sind, ist demnach, ob und wie diese Lücke geschlossen werden kann. Oder mit anderen Worten:wie lässt sich die Anthropologisierung des Wissens (mit der impliziten Rückbindung an das Subjekt) digital betreiben."
Aus: Antonio Sousa Ribeiro (Coimbra): Information oder Wissen? Die Kulturwissenschaften im digitalen Zeitalter. In: Trans. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften Nr. 3, März 1998. [http://www.inst.at/trans/3Nr/ribeiro.htm]
"Children would be better off playing in the mud and eating
worms,
than playing with computers."