"Man kann Erziehung nicht betrachten, ohne gleichzeitig zu überlegen, wie eine Kultur eigentlich weitergegeben wird." Bruner scheint es "höchst unrealistisch, von jedem [...] erwarten zu wollen, dass er seine gesamte Kultur wieder neu entdecken sollte - dies wäre zu unwahrscheinlich. Berücksichtigt man zudem die dem Menschen eigene Abhängigkeit, dann scheint es ebenso unwahrscheinlich, dass diese lange Periode der Abhängigkeit, die ein Charakteristikum unserer Spezies ist, ausschließlich der denkbar ineffektivsten Technik zur Rückeroberung dessen, was in einem langen Zeitraum kulturell angesammelt wurde, vorbehalten sein soll - dem Entdecken. [...] Kultur [...] wird nicht entdeckt; sie wird tradiert oder gerät in Vergessenheit. All dies deutet mir darauf hin, dass wir lieber vorsichtiger sein sollten, wenn wir von der Entdeckungsmethode oder von der Vorstellung sprechen, das Entdecken sei das grundlegende Vehikel von Unterricht und Erziehung. [...] Wir sollten deshalb äußerst sorgfältig den Stellenwert möglicher Techniken reflektieren, die dazu eingesetzt werden, kompetente Erwachsene für eine Gesellschaft hervorzubringen [...]. Um diese Erwachsenen auszubilden, muss die Erziehung deshalb die Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten vorprogrammieren und ihnen [...] Modelle ihrer Umwelt an die Hand geben." [ii]
Spracherwerb als Paradigma: "Das Erlernen einer Sprache hat sehr viel zu tun mit 'erfinden' und hat wenig gemeinsam mit dem, was wir gewöhnlich mit 'entdecken' bezeichnen."[iii]
"Innerhalb einer Kultur ist folglich der früheste und für die Menschwerdung eines Individuums entscheidende Lernmechanismus nicht so sehr der des Entdeckens, sondern der des Lernens am Vorbild."[iv]
"Dennoch [...]: Es scheint im menschlichen Lernen eine notwendige Komponente zu geben, die mit dem Entdecken zusammenhängt, nämlich die Chance, eine Situation erkunden zu können."[v]
"Wie bringt man einem Kind etwas bei, welches Arrangement gilt es zu treffen, wenn man erreichen will, dass das Kind so lernt, dass es das Gelernte auch mit einiger Sicherheit in einer Vielzahl von Situationen adäquat anwenden kann?" ("Wahrscheinlichkeit des Lerntransfers".) [vi]
Sechs Teilprobleme:
1. Einstellung (attitude): Das Kind muss "sein erworbenes Wissen als Anstoß zu weiterer geistiger Bewegung" begreifen und Mut haben, seinen Verstand zu gebrauchen."Entdeckendes Lehren meint [...] nicht so sehr den Prozess, in dem man Schüler dazu bringt, zu entdecken, was 'draußen' ist, sondern heißt vielmehr, sie dahin zu bringen, zu entdecken, was in ihrem Kopf steckt."
2. Vereinbarkeit (compatibility): "Wie bringt man ein Kind dazu, neue Gegenstände so zu lernen, dass es sie in sein eigenes System von Assoziationen, Untergliederungen, Kategorien und Bezugsrahmen einordnet [...]?"
3. Erfolg (im Sinne der intrinsischen Motivation!).
4. Übung derjenigen Fertigkeiten, "die sich auf die Verwertung von Information und auf Problemlösen beziehen" (Heurismen). "Einen Gedanken in seiner ganzen Reichweite ausloten" (Ersetzung von Leerformeln durch ein Wissen um das Beziehungsnetz).
5. Rückwendung zu sich selbst (self-loop): Von der Ausführung einer Fertigkeit fortschreiten "zu einem tieferen kognitiven Verstehen"; "entdecken, was das Charakteristische des eigenen Tuns ist, und dies auf eine Weise zu entdecken, die produktiv auf dieses Tun zurückwirkt".
6. "Fähigkeit, den Informationsfluss geschickt zu handhaben, so dass er für das Problemlösen brauchbar wird".
Heinrich Winter [vii]: Didaktische Zielvorstellungen sind nicht nur auf Lerninhalte bezogen, sondern auch auf Lernweisen. "Das entdeckende Lernen ist nicht eine Methode des Lernens, die erst nach dem Aufstellen der Ziele gewählt wird (und eventuell austauschbar ist), sondern es bestimmt bereits die Ziele mit."
Noch höheren Rang aber misst er
der Schulung der Problemlösefähigkeiten bei. Worin liegen
Problemlösefähigkeiten begründet; wie zeigen sie
sich; wie können sie geschult werden?